Fahrt zur Arbeit: Kurz vor dem Kappelbergtunnel fließt der Verkehr ausnahmsweise mal nicht ganz so träge. Die zweispurige Röhre saugt die zähe Masse der allmorgendlich aus dem Osten des Landes einströmenden Pendler ein und spuckt Sie direkt vor die Füße der wohl bekanntesten Bauwerke der Stadt: vor das Mercedes-Benz-Museum und vor die Mercedes-Benz-Arena, Heimstadt unseres VfB. Genau dazwischen übrigens liegt das Vereinsgelände der Roten. Es geht also gen Stuttgart, mit angepasster Geschwindigkeit auf der Überholspur. Rechts bricht plötzlich ein schwarzes, Xenon beleuchtetes Ungetüm vorbei. Schwarze Mercedes M-Klasse, 4-flutiger Sportauspuff und ganz bestimmt nicht schwach auf der Brust. Er also zieht rechts mit gefühlten 200 Sachen vorbei, bremst kurz vor dem Vordermann ab, wechselt vor dem Verfasser auf die Überholspur und – jetzt kommt‘s: Tritt nochmal auf die Bremse, blinkt links, blinkt rechts und gibt Gas, nur um nach 100 Metern wieder dem Vordermann ziemlich nah zu kommen.
Der Schreiber schaut sich das an, und wird sauer - richtig sauer. Er denkt sich: Wieder so ein junger Marketing- oder Vertriebs-Praktikant der Stern-Marke, der den „großen Schwarzen“ aus dem Werks-Fuhrpark mal über Nacht nach Hause bekommen hat, und meint, die linke Spur für sich und seine 19-Zöller gepachtet zu haben. „Verschwinde gefälligst von der Überholspur“, so die Interpretation des waghalsigen Manövers. Aber der Verfasser weiß sofort: Man sieht sich in geschätzten 60 Sekunden wieder, nämlich an der nächsten roten Ampel gleich hinter der Abfahrt „Stadion/Daimler“. Geschätzt – Passiert. Der große Schwarze und kleine Graue (Verfasser-Kfz) verlassen fast im Formationsflug die Schnellstraße. Er blinkt rechts und will wie vermutet in Richtung Werkstor abbiegen. Der Verfasser blinkt links, die Ampel steht auf rot. Wir stehen. Der Verfasser wendet seinen Blick nach rechts, festen Willens dem Marketing-Fuzzi in Zeichensprache die Meinung zu geigen. Die entsprechenden Gesten hat er sich bereits grob zurecht gelegt.
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Nur, es wird nicht dazu kommen, denn das, was da hinter dem ledernen Steuer des großen Schwarzen sitzt, stammt nicht aus der Marketingabteilung, sondern ist .... ein VfB-Recke auf dem Weg zum Training, ein Stammspieler der Lizenzmannschaft, Mittelfeld-Leistungsträger schon seit vielen Wochen, kurzzeitig verletzt, Jung-Nationalspieler und ein Löw’scher Hoffnungsträger für die Mission 2010 in Südafrika. Er muss es sein: Die dunklen nackenlangen schwarzen Haare lassen keinen Zweifel. Und auch der große Schwarze führt seine Initialen im Schild: S-SK... .
Der Verfasser lässt seinen Plan sogleich fallen, will vielmehr lässig hinüberwinken und dem Wunsch nach drei Punkten beim anstehenden Auswärtsspiel in Bielefeld Ausdruck verleihen (Die Geschichte hat sich am Donnerstag vor dem Bielefeld-Spiel zugetragen). So schnell kann es gehen, eben noch schwer erzürnt, Sekunden später jovial verzeihend. Was tut man nicht alles für seinen Verein: Gemeinsam mit dem VfB auf der Überhohlspur – ganz eng beisammen. Für wenige Kilometer wurde der Traum wahr.
Trotzdem der Tipp an die Spieler der Lizenzmannschaft: Wer sich schon auf der Fahrt zur Arbeit in der getunten M-Klasse, dem Audi R8, oder BMW X-Sonstwie in Rage fährt, ist nervös. Und Nervosität können wir uns für das Saisonfinale nicht leisten, Männer! An Bielefeld sei hier mahnend erinnert.
Und, liebe B14-Pendler, uns bleibt die Erkenntnis: Es sind nicht immer die Praktikanten, die uns auf der Fahrt durch den Kappelbergtunnel die Zornesröte ins Gesicht treiben. Ein „Entschuldigung“ für die bösen Gedanken sei an dieser Stelle angebracht.
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